„Falsch eingeschätzt“ – Baustadtrat räumt Fehler bei Abwendungsvereinbarungen ein

12. April 2018
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Wie nutzt der Bezirk sein Vorkaufsrecht und die Möglichkeit von Abwendungsvereinbarungen? Das war Gegenstand mehrerer mündlicher Anfragen der SPD.

Abwendungsvereinbarungen teilweise ungültig

Mit sogenannten Abwendungsvereinbarungen verpflichten sich Hauskäufer, bestimmte Auflagen einzuhalten, mit denen die Mieter*innen vor Verdrängung und Luxusmodernisierungen geschützt werden sollen. Im Gegenzug verzichtet der Bezirk auf sein Vorkaufsrecht, das ihm in Milieuschutzgebieten zusteht.

In mehreren Fällen haben sich Auflagen des Bezirksamtes jedoch als ungültig herausgestellt – sie können aus rechtlichen Gründen nicht im Grundbuch eingetragen werden. Baustadtrat Florian Schmidt (B90/Grüne) sagte auf SPD-Anfrage: „Die Abwendungsvereinbarung wurde mit rechtlicher Beratung formuliert. Dabei wurde der Anwendungsbereich, für den die Eintragung von Dienstbarkeiten infrage kommt, falsch eingeschätzt.“

Konkret geht es um die Auflage, Mietwohnungen für einen bestimmten Zeitraum nicht in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Auflagen „vollständig als Dienstbarkeit im Grundbuch“ einzutragen sei aber „nur für bauliche Maßnahmen möglich; für das Bezirksamt relevant wäre aber vor allem der Verzicht auf Umwandlung“, räumte Schmidt in der Antwort auf die SPD-Anfrage ein.

Dies betrifft unter anderem eine geschlossene Abwendungsvereinbarung für das Haus in der Eisenbahnstraße 46/47 in Kreuzberg. „Abwendungsvereinbarungen mit derselben Klausel wurden für die Grundstücke Gneisenaustr. 6, Skalitzer Str. 71-72, Adalbertstr. 93 und Arndtstr. 13 geschlossen“, erklärt der Baustadtrat auf Nachfrage.

Zur Anfrage – eingebracht von Sevim Aydin für die SPD-Fraktion: DS/0700/V

Landesregierung ermöglicht den Vorkauf

Grundsätzlich begrüßt die SPD-Fraktion die Anwendung des Vorkaufsrechtes durch den Bezirk – und den damit verbundenen Druck auf potenzielle Käufer, Abwendungsvereinbarungen abzuschließen. Dass beides ohne tatkräftige Unterstützung der Landesregierung nicht möglich wäre, verdeutlicht die Antwort auf eine weitere Anfrage. Denn im Regelfall nutzt der Bezirk das Vorkaufsrecht zugunsten einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Die Wohnungsbaugesellschaften stimmen sich mit dem Senat ab und verhandeln die Finanzierung, erklärt der Baustadtrat. Und zu den bisher angefallenen Kosten sagt Schmidt: „Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat bisher 700.000 € für die Ausübung des Vorkaufsrechtes gezahlt. Das Land hat den Wohnungsbaugesellschaften Eigenkapitalzuführungen in Höhe von 1.723.000 € zugesichert.“

Zur Anfrage – eingebracht von Frank Vollmert für die SPD-Fraktion: DS/0703/V

Milieuschutz vs. Barrierefreiheit?

Unbestritten ist, dass die Kosten für den nachträglichen Einbau von Fahrstühlen überwiegend auf Mieter*innen umgelegt werden und so zu höheren Mieten führen. Daher sehen die langjährig gültigen Abwendungsvereinbarungen, die der Bezirk mit Käufern zum Verzicht der Ausübung des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten schließt, regelmäßig einen Verzicht auf den zukünftigen Einbau von Fahrstühlen vor. So soll die Bevölkerung vor Verdrängung geschützt werden.

Es sind aber Fälle bekannt, in denen ältere Menschen wegen des fehlenden Fahrstuhles aufgrund von Mobilitätseinschränkungen ihre Altbauwohnung und den alten, günstigen Mietvertrag aufgeben mussten. Solche Wohnungen wurden dann gern an Wohngemeinschaften junger Menschen zu deutlich höheren Mietzins neu vermietet. Das fördert den Zuzug jüngerer Menschen, entspricht aber nicht den Zielen des Milieuschutzes. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Auflage möglicherweise selbst dazu beiträgt, Menschen aus ihren Wohnungen zu verdrängen.

Auf Anfrage der SPD war zu erfahren, dass das Bezirksamt über keine verlässlichen Daten verfügt. Trotzdem schätzt der grüne Baustadtrat Florian Schmidt die Verdrängungsgefahr, die von steigenden Mieten ausgeht, in der Abwägung höher ein als die Gefahr, dass mobilitätseingeschränkte Menschen wegen eines fehlenden Fahrstuhles wegziehen müssen. Doch räumt er auch ein, dass es im Vergleich zur wachsenden Gesamtbevölkerung unseres Bezirks einen nur eher geringen Anstieg älterer Menschen gibt.

Die SPD will die konsequente Einzelfallprüfung, um älteren mobilitätseingeschränkten Menschen den Verbleib in ihren Wohnungen ermöglichen zu können. Welche Maßnahmen dazu vom Bezirksamt genehmigt werden können, muss auch weiterhin im Einzelfall geprüft werden. Die Antwort des Stadtrates macht auch deutlich, dass er über nur unzureichende Daten zu den Gründen des Wegzugs älterer Menschen aus dem Bezirk verfügt. Das ist ein echter Mangel. Um zukünftig richtig steuern zu können, muss die Datenlage dringend verbessert werden.

Zur Anfrage – eingebracht von Dr. Peter Beckers für die SPD-Fraktion: DS/0702/V